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Kieler Leuchtfeuer

Der Bau des Kieler Leuchtturms
aus meiner Sicht als Zeitzeuge, Mitwirkender und Ideengeber

von Gerd Newiger

Der Kieler Leuchtturm ist historisch gesehen eigentlich viel zu jung, um schon Beachtung zu finden. Für einen Leuchtturm sind 40 Jahre noch kein Alter, es gibt Leuchtfeuer und Türme, die auf ein weitaus längeres Dasein zurückblicken können. Aber der Turm war für seine Zeit vor 42 Jahren ein außergewöhnliches Stück der Ingenieur-Baukunst. Heute weiß man, dass dieses Bauwerk sowohl im Inland als auch im Ausland hohes Ansehen genießt und sich großer Beliebtheit erfreut.

Es war damals meine Aufgabe als Kalkulator, dieses so besondere Vorhaben zu kalkulieren und gegen die starke Konkurrenz der Mitbewerber für meine Baufirma hereinzuholen.

Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, seinerzeit vertreten durch die Wasser- und Schifffahrts-Direktion  Kiel, hatte den Bau ausgeschrieben als ein kreisrundes Turmfundament von 20 m Durchmesser, in Spundwand-Bauweise mit einem ca. 35 m hohen Leuchtturm aus Stahlbeton. Die Lotsen wollten seinerzeit zunächst keine Lotsenstation auf dem Turm. Nach der Fertigstellung aber wollten sie diesen, “ihren” Turm gar nicht wieder hergeben.

Zugegeben, ein so außergewöhnliches mit großem Wetterrisiko belastetes Bauwerk war für den Kalkulator eine große Herausforderung. Die Ausschreibungsunterlagen waren sehr umfangreich, Vorbemerkungen, Qualitätsvorgaben, Erläuterungen besonderer Art, Leistungsverzeichnis, Lageplan und viele zeichnerische Pläne wie Längs- und Querschnitt sowie zahlreiche weitere Details.

Der Bau vor Ort auf hoher See bei den Wetterrisiken, konnte wohl nur von einer Hubinsel ausgehen. Dazu muss man sich vorstellen, dass am Bauort, ca. 12,5 Seemeilen vor der Küste Kiels, immer eine unruhige See steht, mit einem Wellenhub bis zu fünf Metern Höhe, bei ständig wechselnden Windstärken und Windrichtungen. Hier eine auf einem Ponton schwimmende Pfahlramme zu verankern, eine Transportschute mit den zu rammenden Spundwänden längsseits zu legen, damit man eine kreisrunde Spundwand von 20 Metern Durchmesser rammen kann: ein sehr, sehr schwieriges Unterfangen.

Eine weitere Besonderheit, die berücksichtigt werden musste: Bauhandwerker gehören der Bauberufsgenossenschaft an und die bestimmt, dass sie nur bis zur Windstärke 4 auf der Baustelle arbeiten dürfen. Das heißt, morgens um 05:00 Uhr das Seewetteramt anrufen und fragen, welche Wetterlage am Tag zu erwarten ist. Bis Windstärke 3 durften wir die Leute vor Ort bringen - mit einem Schlepper zwei Stunden Fahrt. Sollte sich die Wetterlage verschlechtern, würde das Wetteramt von sich aus anrufen und sagen: “Holt eure Leute wieder ab, es briest auf!”. Also 10 bis 20 Leute mit dem Schlepper wieder abholen und an Land bringen, ohne dass am Bau eine nennenswerte Leistung erbracht worden wäre.

Man konnte natürlich versuchen dieses Risiko abzuschätzen, zumal es auch Wetterkarten über einen zurückliegenden Zeitraum von 60 Jahren gab, aber wer konnte schon sicher ausschließen, dass gerade wenn man einen Turm auf hoher See bauen will, das Wetter in diesem Jahr nicht ganz anders kommt.

Als Kalkulator kann man letztlich für jedes Bauwerk einen Preis finden, unter Berücksichtigung der Gegebenheiten und unter Einschluss eines gewissen Risikozuschlages, der

a) der Baufirma einen erforderlichen Gewinn verspricht,

b) konkurrenzfähig ist, damit man den Auftrag bekommt und

c) das dem Auftraggeber zur Verfügung stehende Budget nicht überschreitet.

Da sich schon bald herausstellte, dass eine Hubinsel nicht verfügbar war, machten wir uns sofort auf die Suche nach einer anderen Lösung, schließlich sollte ja kalkuliert, angeboten und letztlich auch gebaut werden. Um die Seewetterrisiken auszuschließen, kam jetzt nur noch der Bau eines Schwimmkörpers an Land in Betracht.

Aber wie und wo? Die Anmietung eines Trockendocks bei den Kieler Howaldtswerken schied aus, weil alle Docks ausgebucht waren. Der Gedanke die alten Schleusen in Holtenau zu nutzen, erwies sich als undurchführbar weil die Schleusenkammer zu eng und die Drempelhöhe zu niedrig war. Überlegt wurde auch, die geplante Verbreiterung des Nord-Ostsee-Kanals als Baugrube zu nutzen. Unsere Firma hatte zu der Zeit den Auftrag, in Kiel-Holtenau den Kanal im Bereich “Alte Eider” zu verbreitern. Hier war vielleicht die Möglichkeit gegeben, einen Schwimmkörper in einer Grube zu bauen und nach Abbaggerung des Bodens zur Verbreiterung des Kanals, diesen Körper aufschwimmen zu lassen, an den vorgesehenen Standort zu schleppen und dort abzusenken. Doch auch diese Idee ließ sich aus Terminplanungsgründen der Kanalverwaltung nicht realisieren, die Bauzeit des Turmes hätte zu lange gedauert.

Eine Senk-Hebebühne im Bereich der alten, nicht mehr genutzten Ölpier in den Kieler Hafen zu rammen, war schließlich die Lösung. Hier war genügend Wassertiefe vorhanden, Eigentümer war der Bund und der würde die Genehmigung zum Bau dort wohl erteilen. Das war der Durchbruch, nun konnte der Kalkulator ohne Wetterrisiko zu einem sicheren, sowohl für den Auftraggeber als auch für den Auftragnehmer vernünftigen Preisangebot kommen.

Ein besonderer Aspekt war meine Freundschaft mit einem Aluminium-Schweißer. Der berichtete mir bei so manchem Treffen nach Feierabend stolz, mit welchen Aufgaben seine Firma zur Zeit beauftragt war. Man baute die Wetterstation auf der Zugspitze aus Aluminium, man baute auch Schiffsbauten großer Tanker aus Aluminium um Gewicht zu sparen und dadurch wieder Treibstoff. Was lag also näher, als meinem Chef vorzuschlagen, den eigentlichen Turm, der das Leuchtfeuer tragen sollte, als Alu-Konstruktion zu bauen! Der war aber gar nicht begeistert und fragte mich, ob ich wohl schon einmal etwas von Korrosion gehört hätte, mitten im aggressiven See-Salzwasser der Ostsee einen Alu-Turm bauen. Ich sollte mir mein Lehrgeld wiedergeben lassen.

Ich konnte ihn jedoch davon überzeugen, dass es seewasserbeständiges Aluminium gibt und außerdem könnten wir den Turm ja auch noch mit Kunststoff beschichten, rot, weiß, rot, weiß. Da gab es für ihn kein Halten mehr. Die damals in Kiel ansässige Firma “Ambau” wurde zu einem Gespräch gebeten und es war sofort klar, dass es keine Probleme geben würde, den Turm aus Aluminium zu bauen. Das Gewicht wurde überschlägig ermittelt und damit stand außerdem fest, dass ein Schwimmkran der Kieler Marine, mit dem schönen Namen “Hiev“, dieses Gewicht in einem Stück würde heben können.

Mir fiel sichtlich ein Stein vom Herzen, bei dieser Bauausführung würde jedes Wetterrisiko gänzlich entfallen, eine saubere Kalkulation war möglich. Das Submissions-Ergebnis zeigte, dass das Sonderangebot der “Arbeitsgemeinschaft Steffen Sohst, Kiel/B+M, Hamburg” das preisgünstigste Gebot war. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion prüfte das Angebot, konnte sich von der geplanten Bauweise überzeugen lassen und erteilte der “Arge B+M, Hamburg/Steffen Sohst, Kiel” den Auftrag.

Der Leuchtturm sollte aus finanziellen Gründen erst später zur Lotsenstation erweitert werden. Das günstige Angebot und besonders die Bauweise des Projekts als Schwimmkörper auf einer mehrfach verwendbaren Senk/Hebebühne führten dann aber dazu, dass die Wasser- und Schifffahrtsdirektion sich entschloss, das Bauwerk in einem Zuge zu vollenden und die beiden 30 Meter langen Seitenflügel als Zusatzauftrag mitbauen zu lassen.

So steht der Kieler Leuchtturm heute noch mit Hubschrauber-Landeplatz und sicherer Anlaufstation für Lotsenversetzboote. Das winkelförmige Bauwerk bietet immer eine sichere, windgeschützte Seite. Die Lotsen haben einen sicheren Arbeitsplatz, werden von einer Köchin mit Kaffee, Mittag- und Abendessen versorgt und können, wenn erforderlich, auf dem Turm übernachten.

Bleibt zu hoffen, dass dieses schöne, gelungene Bauwerk der Nachwelt noch lange erhalten bleibt.

Vorgänger des Leuchtturms war das Feuerschiff Kiel. Es kam in die Schlagzeilen, als es am 4. Januar 1957 gegen 8,30 Uhr in dichtem Nebel von einem finnischen Motorschiff gerammt und so stark beschädigt wurde, dass es nicht mehr schwimmfähig war. Nach einer unfangreichen Reparatur konnte es erst am 19. Juni 1959 seine Station wieder einnehmen. Abgelöst durch den neuen Leuchtturm, wurde es als Reservefeuerschiff an verschiedenen Stationen auch in der Nordsee eingesetzt.

Mit seiner endgültigen Außerdienststellung im Jahre 1986, kaufte die “Deutsche Stiftung Sail Training” zur Förderung des Jugendsegelns das Schiff und ließ es zum Segelschulschiff umbauen. Mit seinen grünen Segeln und seinem grünen Rumpf, wurde der auf den Namen “Alexander von Humboldt “ getaufte und neben der "Gorch Fock" wohl bekannteste deutsche Rahsegler, auch als Werbeschiff für die Brauerei Becks & Co international bekannt.

Vom Feuerschiff unverändert erhalten blieb der Mast mit der Laterne, er steht am Schifffahrtsmuseum im Kieler Hafen.

Die Melodie "Zwischen Land und Meer" komponierte und spielt             Fredy Dörpinghaus

                                  -.-.-.-.-.-.-.-.-

Redaktioneller Nachtrag:

Der vorstehende Text entspricht, bis auf die Ausführungen zum Feuerschiff, im Wesentlichen dem Vortrag, der von Gerd Newiger am 19. Mai 2007 auf dem Frühjahrstreffen der “Interessengemeinschaft Seezeichen e.V.” im Restaurant “Nordpol” in Heiligenhafen gehalten wurde.

Die Stadt Kiel, die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Lübeck und die Lotsenbrüderschaft haben das besondere Datum: “5. Juli 2007 - 40 Jahre Kieler Leuchtturm”, am 6. Juli 2007 mit einer Feierstunde angemessen gewürdigt.

Wenn Sie an zusätzlichen Informationen interessiert sind, nutzen Sie bitte die E-Mail-Adresse:  gerd_newiger@kabelmail.de